Deload im Krafttraining: Die Wissenschaft der „Pause“!

Chris Eikelmeier Physiotherapeut Psychoneuroimmunologie Athlet

Von Chris Eikelmeier

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Deload Woche im Krafttraining Weniger ist mehr im Muskelaufbau Krafttraining Plateau Muskelabbau

Einigen Daten zufolge sorgt ein Training irgendwann nicht mehr für gleich starke Wachstumsreize wie am Anfang einer neuen Trainingsphase. Das geschieht unter anderem aufgrund des Repeated Bout Effects und der Akkommodation – ein biologisches System passt sich irgendwann nicht mehr an einen gegebenen Reiz an. Man müsste jetzt mehr Gewicht heben, ein noch höheres Volumen fahren, ganz andere Übungen machen… also irgendwie versuchen, neue Reize zu setzen, damit der Muskel gezwungen wird, sich weiter anzupassen. Das ist an einem bestimmten Punkt aber kaum mehr möglich. Du trainierst mit schwerem Gewicht, hohem Volumen, und eine weitere Steigerung würde eventuell zu einer Verletzung oder einem Overreaching führen.

Und jetzt zum Thema:

Weniger ist manchmal mehr. Wirfst du EINEN Stein ins Wasser, entstehen schöne, gleichmäßige Kreise. Wirfst du viele Steine ins Wasser, entsteht bloß ein Durcheinander.

Eventuell könnte eine „komplette Pause“ hier weiterhelfen weiter zu kommen! Es wird nämlich angedeutet, dass eine Pause von 9–11 Tagen dazu in der Lage ist, die unterschiedlichen am Muskelwachstum beteiligten Gene wieder sensibel und empfänglich für (leichte / alte / gewohnte) Trainingsreize zu machen (Rennie 2001, Lieber 2002, Lieber 1997, Carson 1997, Nosaka et al. 2002, Nosaka et al. 1997, Nosaka et al. 2001, Nosaka et al. 1995, Proske 2001, Morgan 2001). Das heißt, dass ein Gewicht und ein Volumen, das dein Körper ja eigentlich schon gewohnt ist, wieder ausreichend ist, um weiteren Muskelzuwachs zu generieren! Wäre das nicht super? Statt weiter gegen die Wand zu rennen und versuchen mehr zu machen, macht man weniger und dann funktionieren wieder die Reize, die nicht mehr funktionierten?

Zugegeben, ich lerne das gerade erst, nach etwa 25 Jahren Kraftsportkarriere so richtig und ich bin fest davon überzeugt, dass ich mir die ein oder andere Verletzung hätte sparen können, noch ein paar mehr Bücher hätte schreiben können und vermutlich stärker und muskulöser gewesen wäre. Ja, indem ich einfach WENIGER GEMACHT HÄTTE! Und ich dachte ja immer, dass ich schon wenig mache, aber wenn ich all meine Sätze und Sportarten mal zusammenrechne, bin ich weit über dem gewesen, was man „heutzutage“ als „viel“ beschreibt.

Also es gibt also ein paar Daten die zeigen, dass unsere Zelle nach einer gewissen Zeit weniger sensibel auf die Trainingsreize reagiert, also das Training führt dann mit zunehmender Dauer zu immer mehr negativen und immer weniger positiven Effekten.

Nach einer längeren Pause erhöht das Training aber auch bei einem fortgeschrittenen Athleten die Rate der Muskelproteinsynthese wieder ähnlich stark wie bei einem Trainingsanfänger, der bekanntermaßen ja deutlich schneller Muskulatur aufbauen kann (La Forgia et al. 1999, Ogasawara et al. 2011, Ogasawara et al. 2013). „Newbie Gainz“, irgendwer? Dieses Prinzip wird z. B. beim „Hypertrophie-Spezifischen Training“ (kurz HST) verwendet; seiner Zeit eines der wenigen „Science Based“ Trainingsprogramme, was eigentlich immer (und immer noch) wunderbar funktionierte. Hier wird alle 6–8 Wochen eine vollständige Pause von wenigstens 9 Tagen eingeplant. Der Vorteil dabei ist, dass du nach 9–11 Tagen noch keinerlei Muskelmasse verloren hast, aber danach – zumindest theoretisch – „viel leichter“ wieder aufbauen kannst.

Kein Muskelabbau durch 2 Wochen Pause!

Eine Untersuchung aus dem Jahr 2017 hat beispielsweise gezeigt, dass bei krafttrainingserfahrenen Personen selbst 2 Wochen komplett ohne Training nicht dazu führen, dass Muskelmasse oder Kraft abgebaut wird (Hwang et al. 2017). Getestet wurden die Kraftwerte an der Beinpresse. Die kamen nach den 2 Wochen ohne Training aber auch nicht stärker zurück – jedoch ist das nicht unser Hauptanliegen, die haben ja auch nicht „geübt“.

„Danach“ wieder besser aufbauen zu können, alle Systeme regenerieren zu lassen, kleinere Wehwehchen abheilen zu lassen und vielleicht in der „Pausezeit“ andere Dinge wie Alltag, Job, Familie zu regeln, ohne dass du an Kraft- und Muskelmasse verlierst – das finde ich persönlich sehr attraktiv und ist eine ziemlich nette Arbeitshypothese, oder?

Aber ist das auch Realität? In diesem Zusammenhang gab es zwei Untersuchungen von Ogasawara und Kollegen (Ogasawara et al. 2011, Ogasawara et al. 2013), wo gezeigt wurde, dass nach 15 bzw. 24 Wochen die Muskelzuwächse nahezu gleich ausfallen – ob du jetzt die 15 oder 24 Wochen am Stück trainierst oder ob du hier und da mal 1, 2 oder gar 3 Wochen gar nicht trainierst!

Die eine Untersuchung ging so: Gruppe 1 trainierte die 24 Wochen am Stück. Gruppe 2 trainierte 6 Wochen und machte danach 3 Wochen nichts, dann wieder 6 Wochen, dann wieder 3 Wochen nichts, und dann trainierte sie nochmal 6 Wochen. Also Gruppe 2 trainierte in den 24 Wochen ganze 6 Wochen (!) weniger als Gruppe 1, baute aber nicht mehr oder weniger Muskulatur auf als Gruppe 1, welche 24 Wochen am Stück trainierte! Okay, kannst du sagen, die Pause hat nicht dazu geführt, dass mehr Muskulatur aufgebaut wurde, das wird nämlich immer gerne erzählt – das ist natürlich auch ein berechtigter Einwand. ABER AUCH NICHT WENIGER! Es wurde aber gezeigt, dass du mit deutlich weniger Aufwand exakt das Gleiche erreichen kannst, und eine Pause hat wahrscheinlich neben ein paar zeitlichen Vorteilen, auch weitere positive Effekte auf unseren Körper. Kennst du nicht diese Motivation, diesen Tatendrang, diesen guten Schlaf und das Energiegefühl, wenn du mal, warum auch immer, eine Zeit lang weniger trainiert hast?

Weniger ist nicht mehr, aber auch nicht weniger…

Richtig spannend: In einer aktuellen Untersuchung haben Coleman und Kollegen (2023) getestet, was passiert, wenn man mal ganz bewusst eine Woche pausiert. Die Studie lief so: Zwei Gruppen trainierten insgesamt 8 Wochen. Gruppe 1 trainierte 3 Wochen voll durch, machte dann eine komplette Woche Pause (kein Training!), trainierte nochmal 3 Wochen und legte dann wieder eine Woche Pause ein. Gruppe 2 zog die 8 Wochen einfach durch, ohne Pause.

Und was kam raus? Beide Gruppen bauten gleich viel Muskelmasse auf! Die kontinuierlich trainierende Gruppe hatte in einem Krafttest (isometrische Beinpresskraft) minimale Vorteile – aber sonst? Keine Unterschiede bei Power, Ausdauer oder Muskelaufbau.

Heißt für die Praxis: Eine kurze Trainingspause, gezielt eingebaut, bremst dich nicht aus, sondern kann dich sogar davor schützen, dich langfristig zu überlasten. Oder so. Gerade in intensiven Trainingsphasen kann das Gold wert sein. Du verlierst nichts – aber du gibst deinem System mal kurz Luft zum Atmen. Genau das, was wir eigentlich alle ab und zu brauchen (Coleman et al. 2023).

Also: 2 Wochen nicht zu trainieren führt zwar nicht zwangsläufig zu einem starken Leistungsanstieg, aber auch nicht zu einem dramatischen Leistungsverlust. Nach einer Pause baut man kurzfristig besser auf und das kann man strategisch nutzen, indem man nicht vollständig pausiert, sondern bestimmte Fähigkeiten nur erhält oder sich zeitweise auf andere Kapazitäten konzentriert.

Weniger ist oft mehr. Und oft ist oft zu oft!

In einer Zeit mit deutlich weniger Training erhöhen sich in der Regel die Testosteronwerte, die Wachstumshormonwerte, und das Testosteron-zu-Cortisol-Verhältnis verbessert sich – heißt, dass der Cortisolspiegel sinkt bei steigendem Testosteron. Auch reduziert sich die Creatin-Kinase; diese ist in der Regel ein Marker für Muskelschaden im Blut. Die Creatin-Kinase ist beispielsweise die ersten 2–3 Tage nach dem Training deutlich erhöht und führt bei deinem Doc des Vertrauens oft zu einer gewissen Panik, da dieser Wert auch bei einem Herzmuskelschaden ansteigen kann.

Dieses anabole Umfeld, so schön sich das anhört, scheint allein aber nicht ausschlaggebend zu sein – fehlt der Trainingsreiz, kommt es nicht zu Muskel- oder Kraftzuwachs (Hortobagyi et al. 1993). Jedoch heißt es ja nicht, dass du nach der Pause nicht wieder anfangen könntest zu trainieren, um das anabole Umfeld zu nutzen. Andere Daten zeigen jedoch auch mal Leistungszuwächse durch eine Pause. Beispielsweise war die Sprintleistung bei Fußballern nach einer Woche Pause in der 5–10 m-Strecke erhöht – also sie werden explosiver, verlieren gleichzeitig aber etwas an ihrer Sprintausdauer (CH 2016).

Also Pause im Kraftsport?

Eine Pause ist sinnvoll, so oder so – die hat zu viele Vorteile bei fast nicht vorhandenen Nachteilen. Diese Pause sollte aber nicht zu lange dauern! Meiner Meinung nach sind 5–14 Tage das höchste der Gefühle. In der Regel 3–5 Tage „nichts“ alle 3–5 Wochen, und alle 12–16 Wochen eher 7–14 Tage nichts. So hat sich das „für mich und meine Sportler“ bisher bewährt. Also: bessere Leistung, mehr Freizeit und weniger Verletzungen.

Gerne auch mit einem Deload oder einer Tapering-Phase koppeln. Derzeit mache ich quasi alle 2 Wochen eine Tapering-Phase. Ich fand das schlau und werde gerade auch wieder deutlich stärker nach meiner Schulter-Bizeps-Operation. Das Konzept des Taperings zur Verbesserung der Maximalkraft erkläre ich hier genauer.

Also diese ganzen Daten sollten man nicht einfach als Ausrede für Pausen nutzen, sondern die Essenz daraus nutzen! Denn 4 Wochen zu pausieren verbessert nämlich – das wurde ja schon angedeutet – auf keinen Fall die Kraftleistungen oder die Muskelmasse, wer hätte das gedacht. Eine „Taperingphase“ hingegen, in welcher das Volumen reduziert und die Intensität gehalten wird, hat allerdings positive Effekte auf die Kraftentwicklung (Izquierdo et al. 2007). Also mit geringem Volumen, geringerem Zeitaufwand und hoher Intensität zu mehr Kraft? Das zeigen ja auch neuere Untersuchungen von Schoenfeld und Kollegen: Eine Steigerung der Kraft – anders als eine Steigerung der Muskulatur – benötigt kein hohes Volumen.

Auch wenn eine Pause nicht zu lange andauern sollte – denn du kannst dir ja vorstellen, dass du nur durch eine zu lange Pause in eigentlich keiner Disziplin besser wirst, zumindest nicht langfristig – scheint selbst eine 30 Wochen andauernde Pause nicht genug zu sein, um alle positiven Effekte des Muskeltrainings zu verlieren! Die Muskelqualität und die Kraft bleiben dennoch oft über Ausgangsniveau (Ivey et al. 2000). Die durch Training neu gewonnenen Myonuklei (Zellkerne der Muskulatur) und Satellitenzellen bleiben noch lange bestehen – auch ohne Training – und verschwinden nicht, nur weil du mal 1–2 Wochen nicht trainiert hast (Kadi et al. 2004, Bruusgaard et al. 2010), keine Sorge.

Es gibt auch neuere Daten aus dem Jahr 2024-2025 die zeigen, dass man seine Kraft über 30 Wochen erhalten kann, mit nur einem schweren Satz pro Woche oder sogar aufbauen kann, mir 2-4 Sätzen pro Woche (ohne Muskelversagen, aber nahe dran).

Ja, wenn das alles mal nicht dazu anregt, einfach mal weniger zu machen, dann weiß ich auch nicht.

Deload Woche im Krafttraining Weniger ist mehr im Muskelaufbau Krafttraining Plateau

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Praxis der Pausen und Deloads

Was ich dir also empfehle?

Mach alle 2-4 Wochen eine Tapering-Phase. Beispielsweise so:

50% x 5
60% x 4
70% x 2 x 3
80% x 2 x 2
85% x 2 x 1

Dazu das Sehnenprotokoll aus Boring But Big.

Nur deine 4-8 wichtigsten Übungen so trainieren, alles Optionale raus.

Alle 6-8 Wochen eine Deload-Phase, beispielsweise so:

50% x 2 x 5
60% x 2 x 4

Nur 2 Ganzkörpereinheiten in dieser Woche mit den 4-5 wichtigsten Übungen für dich. Geh dazu Wandern und in die Sauna, schlaf ruhig mal mehr und kümmre dich um Dinge, die die letzten Wochen vielleicht liegen geblieben sind.

Alle 12 bis 20 Wochen mach ruhig mal 5-10 Tage komplett Pause. Danach starte 1-2 Einheiten mit einem Deload, danach 1-2 Einheiten mit einem Taper.

Du wirst dich wundern, wie gut dein Training PLÖTZLICH wieder läuft.

POWER TO YOU und mad Gainz wünsch ich dir.

Chris Eikelmeier Physiotherapeut Psychoneuroimmunologie Athlet

Über

Hi mein Name ist Chris Eikelmeier, Gründer von Strength First® und von der Nahrungsergänzungsmittel-Marke Götterspeise®. Ich bin Physiotherapeut (MT, MTT), Therapeut und Master in klinischer Psychoneuroimmunologie, Athlet und Trainer und ich liebe es zu schreiben. Ich saß im Rollstuhl, war dummerweise schon einige Male größer verletzt, hatte Reizdarm, Allergien und... schon lange nicht mehr. Patienten aus dem gesamten deutschsprachigen Raum reisen zu uns an, für eine Beratung oder ein Event von uns. Was ich glaube? Ich glaube, dass sich schwere Gewichte nicht von alleine heben. Genauso bin ich der festen Überzeugung, dass sich dein Körper, deine Gesundheit, von jeder Situation wieder erholen kann. Und auch, dass Gesundheit nicht kompliziert sein kann. Wenn du weißt wie? Deshalb schreibe ich diesen Blog. Achso: Und wieso Leistung und Gesundheit? Ich denke Gesundheit ohne Leistung ist wie Heino ohne Brille. Beides gehört zusammen und ist untrennbar miteinander verknüpft. Ps: Manchmal schreibe ich etwas derber, manchmal witziger, manchmal fachlicher... mir ist es zwar wichtig alle Infos möglichst objektiv wiederzugeben, aber nicht zu langweilig und nicht zu streng. Ich denke, dass Spaß haben ein großer Teil der Lösung für eine bessere Gesundheit und ein schöneres Leben ist. Also: Sei mir nicht böse, wenn du manchmal rote Ohren bekommst! #sorrynotsorry Mehr zu mir.

2 Kommentare

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Ist es nicht sowieso oft so? Diejenigen, die trainieren, trainieren in der Regel zu viel – und diejenigen, die seit 10+ Jahren keinen Sport gemacht haben.. die machen halt (viel) zu wenig. Vielleicht kann der Mensch ja nur Extreme😀

Aber super Artikel mal wieder und Mensch; wo wären wir Sportler alle, wenn wir das schon mit zarten 16 Jahren alles gewusst (und umgesetzt!) hätten?:-)

Chris Eikelmeier Physiotherapeut Psychoneuroimmunologie Athlet Chris Eikelmeier

ja man ist so! Wir lieben unsere Fehler weil wir täglich daraus lernen, aber könnten mehr erreicht haben, hätten wir sie nicht gemacht und wären demnach also dümmer 😀 aber ja, zu wenig, zu viel, daher specke ich tatsächlich alle meine Pläne immer weiter ab.

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