bild, befund oder beschwerden? warum mrt-aufnahmen oft nichts wert sind!

Chris Eikelmeier Physiotherapeut Psychoneuroimmunologie Athlet

Von Chris Eikelmeier

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Kernspin MRT Normalbefunde Slap Läsion Physiotherapie Bandscheibenvorfall

Kommt ein Patient zum Arzt … ist kein Witz, fängt nur genauso an. Also: Kommt ein Patient zum Arzt. Sagt der Arzt, nach dem MRT: „oh, sie haben einen Bandscheibenschaden“. Okay, sagt der Patient. Muss ich jetzt Reha machen … Kollege hat das auch schon gehabt … ja, ehm, aber: hast du denn Beschwerden?

Grade schrieb mich ein Klient an. Er hat zwar Symptome, aber ob diese auch zum „MRT“ passen, sei mal (noch) dahingestellt. Es gibt viele positive MRT´s bei asymptomatischen Personen. Erst wenn der klinische Befund, Anamnese und Co zum Bild passen, dann können wir davon ausgehen, dass das Bild das ist, was auch grad das Problem ist. In etwa. Das ist komplexer, nicht immer einfacher.

Die aktuelle „evidenzbasierte Physiotherapie“ macht es da nicht einfacher. Hier wird nämlich oft ZU stark verallgemeinert und man hat den Eindruck, dass der Patient nicht mehr betrachtet wird: „Oh, du hast ein positives MRT, das haben viele, also ist es nicht relevant …“. Und weiter? Also eine verletzte Struktur, die auf einem Kernspin zu sehen ist, ist also NIE relevant? Das ist falsch. Genauso falsch, wie ein MRT zu behandeln, ohne, dass es Beschwerden gibt. Beides muss zueinander passen. Ja, schmerz ist sehr subjektiv. Schmerz ist sehr individuell. Schmerz ist mehr von der Reizverarbeitung, als von der Reizstärke abhängig. Aber mein Gott, ein Bild KANN, nicht muss, das Problem darstellen. Es gibt strukturelle Probleme. Genauso gibt es aber auch Probleme, ohne eine (erkennbare) strukturelle Basis.

Und MRTs, schonmal drauf geschaut? Da erkennst du nicht wirklich viel. Du nicht, ich nicht und der Radiologe auch nicht. Der Radiologe sieht nichts … oft nicht mal den Patienten! Aber, ich sprach letztens mit einem und dachte „mein Gott ist der gut“! Also, ich musste wirklich eingestehen, dass die Jungs mehr sehen, als das „ungeübte“ Auge. Aber die Diagnose war dann etwas schwammiger formuliert, als das, was er mir im vorherigen Gespräch so rausgehauen hat:

„Signalintensitätssteigerung im anterioren Bereich mit Verdacht auf…“.

Also „da ist zu 100% ein Riss, hieß es dann doch nicht. MRT aufnahmen nativ, also ohne Kontrastmittel, sind auch nicht ganz so gut, wie eine Arthro-MRT mit Kontrastmittel. Indirektes Arthro-MRT bedeutet beispielsweise eine Kontrastmittelgabe ins Blut, wobei sich etwas Kontrastmittel auch in der Kapsel eines Gelenks sammelt und einige Strukturen deutlich sichtbarer macht. Direktes Arthro-MRT bedeutet eine Kontrastmittelgabe direkt ins Gelenk. Grade, wenn es um sowas wie freie Gelenkkörper geht, Meniskus- und Labrumverletzungen, Probleme der Bizepssehne, also intraartikuläre Strukturen, also etwas, was auf dem nativen MRT immer schwierig zu begutachten ist, wird durch ein Kontrastmittel nicht nur deutlich sichtbarer, sondern deutlich sichtbar! Labrumverletzungen werden beispielsweise häufig auf nativen MRT´s übersehen. Sensi- und Spezifität bei einigen Dingen liegt von normalen MRT´s grade mal bei 60% und ist fast wie Münze werfen! Also die übersehen gerne auch etwas! Wenn du eine genauere Aussage haben möchtest? Da muss dann, wie schon gesagt, mit Kontrastmittel gearbeitet werden, was es aber oft nicht wird! Je nach Struktur, erhöht sich da die Sensi- und Spezifität auf bis zu 95%. Das ist schon sehr gut. Da gibts aber auch klinische Tests, die, vor allem in Kombination mit anderen, ähnliche Werte erlangen können.

Behandle den Menschen, nicht das Bild: Denn Bildgebung alleine reicht nicht, da es viele Funde in asymptomatischen Patientengruppen gibt!

Guermazi und Kollegen (2012) zeigte, dass viele der „schlimmen“ Kniepathologien in MRT-Aufnahmen schon bei asymptomatischen Personen gefunden werden.

Die Wirbelsäulen von über 3100 Personen im Alter von 20-80 Jahren wurden von Brinjikji und Kollegen (2015) in einem systematischen Review erfasst, mit dem Ergebnis, das 29% (20 Jahre) bis 96% (80 Jahre) der Personen auffällige Bandscheiben hatten. Je älter man wird, desto mehr findet man auch auf einem Bild! Von leichten Vorwölbungen, bis kompletten Rissen war alles dabei. Achso, es ging um ASYMPTOMATISCHE Personen, also Menschen, ohne Beschwerden!

2013 fand Lesinak und Kollegen heraus, dass knapp 50% aller Werfer (Baseball) Läsionen des Labrums der Schulter aufwiesen (SLAP Läsion), ohne, dass diese Beschwerden hätten, noch, dass es ihre Leistung beeinflusst!

De Carli und Kollegen zeigte, dass 100% aller Turner eine Pathologie oder Ausfälligkeit der Schultern aufweisen und nur etwa 20% der Kontrollgruppe (Nicht-Turner). Grade Labrumveränderungen und Teilrupturen der Rotatorenmanschette finden sich hier sehr häufig. Bei 100% der Turner?!!! Und auch hier sind natürlich wieder ganz viele asymptomatische Befunde dabei!

„RESULTS: Signal abnormalities were detected in 36/36 (100%) gymnasts‘ shoulders, and in 4/20 (20%) of the controls.“

Also es ist davon auszugehen, dass jeder Sportler in jeder Sportart eine Auffälligkeit bei einer Bildgebung zeigen wird. Kein Grund zur Sorge! Unser Körper hat wahrscheinlich eine ziemlich extreme Möglichkeit Dinge zu kompensieren, sich anzupassen und zu maskieren. Ja klar, alles was uns der liebe Gott gegeben hat ist wichtig, jede Struktur, jedes Organ… doch es scheint ziemlich viele „Sicherheitsnetze“ zu geben, von welchen unser Körper immer und immer wieder zehren kann!

Viele der degenerativen Funde, welche du auf einem „Bild“ siehst, haben nichts mit den Beschwerden der Person zu tun und sind oftmals nicht einmal damit assoziiert! Das gehört einfach zum normalen Alterungsprozess!

„Many imaging-based degenerative features are likely part of normal aging and unassociated with pain.“

Was nicht heißt, dass ein solches Bild total nutzlos ist, ganz und gar nicht! Doch die Beschwerden der Person, des Menschen, des Patienten, des Klienten, von deiner Omma, von wem auch immer, müssen zu dem Bild passen! Das ist ein wichtiger Grund, weshalb ein Bild, ohne eine klinische Untersuchung nahezu „nichts wert ist“. Bei Tumoren, okay, safty first, aber bei orthopädischen Befunden? Es wird immer wahrscheinlicher, dass die Bildgebung, allein für sich, nicht mehr wert hat, als eine Münze zu werden, aber zusammen mit einer passenden klinischen Untersuchung die Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit einer Hypothese potenzieren kann.

Aber auch die andere Seite der Medaille ist wichtig zu verstehen: „da ist nichts, das ist viel zu klein für ihre Beschwerden“!

Es ist vielleicht klein, aber kann dich trotzdem ganz schön ärgern. So ist das auch mit einem Bandscheibenschaden oder einer anderen „kleinen“ Verletzung, egal wie klein die ist.
Wenn die Klinik zum Bild passt? Alles klar, dann gilt die Diagnose (fast) als gesichert. Selbst bei der Arthroskopie (durchs Schlüsselloch gucken) wird nicht immer alles gesehen!

Also was ich sagen möchte: Manche Dinge sind so klein, die sieht man auf dem MRT nicht – das bedeutet aber nicht, dass die nicht da sind! Diese MUSS man dann aber wenigstens durch klinische Tests auslösen können. Wenn auch das nicht funktioniert und die Beschwerden keiner Struktur zugeordnet werden können? Dann wird es immer unwahrscheinlicher, dass es einen (großen) Schaden gibt. Da ist vielleicht was, aber es ist NICHT groß! Und das ist doch auch beruhigend? Vielleicht sind deine Alarmglocken grade nur sehr sensibel eingestellt? Vielleicht hast du schlechte Erfahrungen gemacht? Vielleicht grade viel um die Ohren, etwas Stress, so, dass die Alarmglocken schon „voraktiviert“ sind? Im letzten Fall reicht dann vielleicht eine Kleinigkeit, um einen Alarm auszulösen.

Es ist also nicht immer logisch, nicht immer ganz einfach.

Aber bevor du wegen einem „Bild“ ausrastest, ohne, dass du überhaupt passende Beschwerden hast, bleib erstmal im Höschen (Diagnose durch die Hose…). Hier brauchst du dann vielleicht einen Ansprechpartner. Denn du selbst, egal wie erfahren du bist, wirst schnell unruhig, wenn es um dich selbst geht. Atemnot beim Laufen? Röntgenbild Lunge zeigt ein paar Veränderungen. LUNGENKREBS! Wir denken erst ans Schlimmste. Vielleicht ist es nur Belastungsasthma oder Heuschnupfen (Frühling / Sommer). Es muss alles zueinander passen.

Kommt ein Patient zum Arzt … ist ein Witz, fängt auch genauso an. Also: Kommt ein Patient zum Arzt, fragt der Arzt: „rauchen Sie?“, der Patient: „Also wenn sie mich schon so fragen, dann nehme ich lieber einen Drink!“.

Kommt ein Skelett zum Arzt … sagt der Arzt: „sie hätten früher kommen sollen.“.

Kommt meine Omma beim Arzt.

Erstmal sacken lassen.

Quellen:

Am J Sports Med. 2016 Jul;44(7):1861-76. doi: 10.1177/0363546515621554. Epub 2016 Jan 15.
Risk of Secondary Injury in Younger Athletes After Anterior Cruciate Ligament Reconstruction: A Systematic Review and Meta-analysis.
Wiggins AJ1, Grandhi RK2, Schneider DK3, Stanfield D4, Webster KE5, Myer GD6.

J Bone Joint Surg Am. 2014 Aug 6; 96(15): 1233–1241.
Prevalence of abnormalities in knees detected by MRI in adults without knee osteoarthritis: population based observational study (Framingham Osteoarthritis Study).
Guermazi A1, Niu J, Hayashi D, Roemer FW, Englund M, Neogi T, Aliabadi P, McLennan CE, Felson DT.

Am J Sports Med. 2013 Sep;41(9):2022-7. doi: 10.1177/0363546513491093. Epub 2013 Jun 17.
Glenohumeral findings on magnetic resonance imaging correlate with innings pitched in asymptomatic pitchers.

AJNR Am J Neuroradiol. 2015 Apr;36(4):811-6. doi: 10.3174/ajnr.A4173. Epub 2014 Nov 27.
Systematic literature review of imaging features of spinal degeneration in asymptomatic populations.
Brinjikji W1, Luetmer PH2, Comstock B3, Bresnahan BW4, Chen LE4, Deyo RA5, Halabi S6, Turner JA7, Avins AL8, James K4, Wald JT1, Kallmes DF1, Jarvik JG9.

Spine (Phila Pa 1976). 2015 Mar 15;40(6):392-8. doi: 10.1097/BRS.0000000000000775.
Abnormal findings on magnetic resonance images of the cervical spines in 1211 asymptomatic subjects.
Nakashima H1, Yukawa Y, Suda K, Yamagata M, Ueta T, Kato F.

J Sports Med Phys Fitness. 2012 Feb;52(1):71-9.
The gymnast’s shoulder MRI and clinical findings.
De Carli A1, Mossa L, Larciprete M, Ferretti M, Argento G, Ferretti A.


Hier findest du Links zu ein bisschen Literatur zum Thema:*

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Chris Eikelmeier Physiotherapeut Psychoneuroimmunologie Athlet

Über

Hi mein Name ist Chris Eikelmeier, Gründer von Strength First® und von der Nahrungsergänzungsmittel-Marke Götterspeise®. Ich bin Physiotherapeut (MT, MTT), Therapeut und Master in klinischer Psychoneuroimmunologie, Athlet und Trainer und ich liebe es zu schreiben. Ich saß im Rollstuhl, war dummerweise schon einige Male größer verletzt, hatte Reizdarm, Allergien und... schon lange nicht mehr. Patienten aus dem gesamten deutschsprachigen Raum reisen zu uns an, für eine Beratung oder ein Event von uns. Was ich glaube? Ich glaube, dass sich schwere Gewichte nicht von alleine heben. Genauso bin ich der festen Überzeugung, dass sich dein Körper, deine Gesundheit, von jeder Situation wieder erholen kann. Und auch, dass Gesundheit nicht kompliziert sein kann. Wenn du weißt wie? Deshalb schreibe ich diesen Blog. Achso: Und wieso Leistung und Gesundheit? Ich denke Gesundheit ohne Leistung ist wie Heino ohne Brille. Beides gehört zusammen und ist untrennbar miteinander verknüpft. Ps: Manchmal schreibe ich etwas derber, manchmal witziger, manchmal fachlicher... mir ist es zwar wichtig alle Infos möglichst objektiv wiederzugeben, aber nicht zu langweilig und nicht zu streng. Ich denke, dass Spaß haben ein großer Teil der Lösung für eine bessere Gesundheit und ein schöneres Leben ist. Also: Sei mir nicht böse, wenn du manchmal rote Ohren bekommst! #sorrynotsorry Mehr zu mir.

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